Lehre,  Projekt

Halbzeit für das „Repositorium HistoGames“

Geschichte macht als Inhalt einen erheblichen Teil des Marktes digitaler Spiele aus. Die dort dargestellten Geschichtsbilder erreichen weite Teile der Gesellschaft – quer durch alle Schichten, ethnische Gruppen und Altersstufen. Dabei treten historische Inszenierungen zu unterschiedlichsten Themen auf, lassen sich für alle Epochen nachweisen und werden kreativ in diversen Spielmechaniken umgesetzt.

Obwohl digitale Spiele also historisch, gesellschaftlich und medienpädagogisch relevant sind, können sie bislang nicht adäquat im Geschichtsunterricht behandelt werden. Dagegen sprechen etwa die technische Ausstattung an den Schulen, häufig eine Spieldauer von dutzenden Stunden und ihre inhaltliche wie spielmechanische Komplexität. Auf der anderen Seite mangelte es jedoch schlicht an geeigneten Unterrichtskonzepten, um sie im schulischen Unterricht anzuwenden.

Gemischten Gruppen von Studierenden der Geschichtsdidaktik und Public History an der Universität Hamburg entwickelten daher in einem kollaborativen Projektkurs des Wintersemesters 2018/19 sieben Prototypen von Unterrichtskonzepten. Sie ermöglichen vielfältig, digitale Spiele mit historischen Szenarien in den Geschichtsunterricht der Sekundarstufe I zu integrieren. Die Konzepte sind an unterschiedlichsten Stellen mit den Lehrplänen der Sekundarstufe I verknüpft (5.-10. Klasse).

Über den Jahresverlauf führt das Projekt von Erkundung über Analyse und Konzeption bis hin zur Erprobung und Bewertung mit anschließender Publikation. (Abb. eigenes Bild)

„Win-Win-Win-Win-Win“-Situation: Das Repositorium HistoGames

Für die Public History und die Geschichtsdidaktik an der Universität Hamburg entwickelte ich als Projektkoordinator das einjährige Forschungs- und Lehrprojekt „Repositorium HistoGames“. Es verknüpft neueste Forschungsergebnisse aus den Fachbereichen mit der Unterrichtspraxis an mehreren Partnerschulen durch eine innovative Lehrumgebung für die Studierende. Das Projekt leiten die Professoren Thorsten Logge und Andreas Körber aus den beiden Fachbereichen. In der komplizierten Lehre unterstützten unterstützten die Dozenten Dr. Daniel Giere und Alexander Buck.

Die inneren Abläufe des komplexen Jahresprojektes erfordern punktgenaue Abstimmung. Auf ein halbes Jahr Entwicklung folgte der Projektkurs im Wintersemester. Die Ergebnisse liegen nun mit den Unterrichtskonzepten vor. Im Frühjahr 2019 nun geben die Lehrenden an den Schulen dazu ein erstes Feedback. Weitere Kurse im Sommersemester 2019 vertiefen die Konzepte und erschließen weitere geeignete Spiele und Themen. Ihre Materialien erproben die Studierenden selbst im Kernpraktikum der Lehramtsausbildung bei den Schulpartnern. Die hernach überarbeiteten Unterrichtskonzepte werden schließlich zusammen mit Begleitmaterial kostenfrei veröffentlicht. Gelegenheit für den Austausch unter den schulischen Partnern bietet eine Konferenz im August.

Bei allem Koordinationsaufwand führt die enge Verbindung zwischen Forschung, akademischer Lehre und schulischer Praxis zu einer fünffachen „Win“-Situation. Die beteiligten Forschenden reflektieren ihre Arbeit direkt im Praxisfeld. Die Lehrenden an den Schulen gestalten ein maßgeschneidertes Lehrmittel mit. Zu einem wichtigen Geschichtsprodukt ihrer alltäglichen Lebenswelt erhalten Schülerinnen und Schüler erstmals adäquates Schulmaterial. Die Studierenden der Public History lernen den Unterricht als eine spezielle Aufbereitungsform von Geschichte zu begreifen. Nicht zuletzt verbessern die Erfahrungen für der Lehramts-Studierenden die medienpädagogische Ausbildung in ihrem Studium. Die Universität Hamburg fördert daher diese Maßnahme als Teil der Initiative zur Lehrerprofessionalisierung (L3Prof).

Die mehrfache Win-Situation für die Beteiligten erläuterte mein Plakat für eine Präsentationsveranstaltung (Abb. eigenes Plakat / Bild)

Rätsel eines Schlüsselmediums

Dass Lehrende mit Schülerinnen und Schülern diese prototypischen Konzepte weiterentwickeln, und auf andere Spiele übertragen, erhoffen wir uns ausdrücklich. Es handelt sich bei den studentischen Arbeiten um Sondierungen, erste Vorschläge für Herangehensweisen. Sie bieten methodische Ansätze, ein weites Spektrum von historischen Inhalten im Geschichtsunterricht mit digitalen Spielen zu behandeln. Sie identifizieren ein Kernthema, mit dem sich das jeweilige Spiel befasst. Zugleich nähern sie sich diesem Thema von den Eigenschaften digitaler Spiele aus. Sie sind modular aufgebaut, so dass sie sich kombinieren und ausbauen lassen.

Ich forsche und lehre seit 2013 in der Public History zu digitalen Spielen. Meine Dissertation erscheint im September 2019. Darin erläutere ich sehr spezifische mediale Eigenschaften, die digitale Spiele besitzen. Teils integrieren sie traditionelle Medienkanäle, teils entstehen neue Umgangsformen. Deren Zusammenspiel erschafft ein völlig neuartiges Medium, das bestimmt wird durch das spielerische Handeln in einer reagierenden, räumlichen Welt. Historische Spielwelten sind bestimmt durch Objekt- und Sachkulturen, narrative Netzwerke, Systeme prozeduraler Verhaltensregeln und automatische Rechenmodelle.

Erkenntnisse lassen sich an ihnen nicht nur über Geschichtsbilder gewinnen. Auch ihre Entstehungszeiträume prägen historische Vorstellungen unbewusst mit hinein. Zudem besitzen die Spiele selbst schon eine mehr als fünfzigjährige Geschichte. Kommunizieren große Spielergemeinschaften zum Beispiel in Online-Rollenspielen über historische Inhalte entstehen Erinnerungskulturen. Ein Verständnis, wie ihr Umgang mit Geschichte funktioniert, ist daher für die Forschung und Schulen interessant, vor allem aber essentiell für heranwachsende Spielerinnen und Spieler.

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