Termin,  Vortrag

Reißt es digitale Spiele den Beutelsbach hinab? – Podiumsdiskussion, LZ Saarland

Der Beutelsbacher Konsens ist eine Grundfeste der historisch-politischen Bildungsarbeit. Zentral ist dabei das Verbot, dass Lernende nicht mit historischen und politischen Informationen aus einem bestimmten Interesse überwältigt werden dürfen. Bürger:innen sollen auf der Basis bereitgestellter Informationen und einer Grundhaltung auf der Basis unserer Verfassung selbst Schlüsse aus Geschichte und Politik ziehen. Setzen also digitale Spiele als Medium aus dieser Sicht unlautere Mittel ein, wenn sie sich Geschichte und Politik annäheren?

Um die Rolle digitaler Spiele für die Gedenkstättenarbeit und die historisch-politische Bildung zu diskuteren, lud mich die Landeszentrale für Politische Bildung (LPB) des Saarlands zu einem Online-Podium ein. Als Historiker für Public History habe ich mich seit 2009 mit digitalen Spielen und Geschichte befasst. Den Abend unter dem Titel „Eintauchen im Beutelsbach. Games in der Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit“ moderierte Journalistin Nora Hespers. Er fand im Rahmen der bundesweiten „Aktionstage Netzpolitik & Demokratie“ am 16.11.2022 statt.

Hespers lieh nicht nur dem erfolgreichen Strategiespiel „Through the Darkest of Times“ ihre Stimme, das den zivilen Widerstand nach 1933 in Berlin aufgreift. Sie ist auch als Enkelin eines Widerstandskämpfers selbst aktiv in der Erinnerungsarbeit. Martina Ruppert-Kelly vertrat die institutionellen Anwender als Leiterin der Gedenkstätte „KZ Osthofen“. Sie erläuterte die Herausforderungen für einen Ort, der sowohl historischer Erinnerungsort als auch pietätvoller Gedenkstätte sein muss. Gleichzeitig sei sie neugierig auf Chancen, die digitale Spiele ermöglichenn. Patrick Ruckdeschel (Bundeswehr Universität München) brachte die Arbeitsweisen seines Teams mit ein, das die interaktive Grafic Novel „Behind the Scenes: Nuremberg 1934“ als Serious Game zum NS-Reichsparteitag mithilfe verwobener Perspektiven entwickelt.

Digitale mediale Darstellungs- und Interaktionsformen wie zum Beispiel Videospiele fordern zu einem neuen Verständnis heraus, was denn eine Überwältigung bedeutet. Zum Beispiel werden ihnen häufig der hohe Grad an Immersion und atmosphärische Emotionen vorgeworfen. Andererseits ließen sich diese faszinierenden Medienformen, erst einmal von der Forschung und Didaktik ausreichend verstanden, für neue methodische Ansätze oder gar völlig andere Inhalte nutzen. Dafür aber muss man ihre Eigenschaften analysieren und deren Auswirkung auf historische Inhalte verstehen. Da liegt noch viel Forschungarbeit voraus.

Als Lehre aus dem Missbrauch von Geschichte für die NS-Ideologie einigten sich Wissenschaft und Bildung nach dem Zweiten Weltkrieg im „Beutelsbacher Konsens“ auf wichtige Grundsätze. Vermieden werden sollte Einseitigkeit oder vorausgewählte Perspektiven in der Bildung, aber auch zu instruktive Methoden. Menschen sollten zur Einsicht aus der Geschichte gelangen, ohne indoktriniert zu werden. Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet auf ihrer Seite eine gute Zusammenfassung und Informationen zu seiner historischen Entwicklung. Diese Grundsätze setzen auch weltweit Maßstäbe in der Erinnerungsarbeit.

Die Aufzeichnung des Abends blieb auf Wunsch eines der Teilnehmenden leider nicht online gestellt. Das bedaure ich inhaltlich sehr, und auch weil es die Reichweite für dieses wichtige Thema beschränkt. Bei fachlichem Interesse kann ich jedoch den Kontakt dafür herstellen.

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