Medienspiegel

Fallujah als Militär-Shooter – Interview, Gamestar

Vor zehn Jahren eröffnete ein begeistertes Entwicklerstudio die Idee, eine der grausamsten Schlachten des Irakkriegs im Jahr 2004 als Videospiel zu verarbeiten. Nun bin ich durch meine Arbeit mit digitalen Spielen nicht grundsätzlich abgeschreckt davon, weil es auf die Spielform und die Inszenierung ankommt, ob man solch einen Inhalt darstellen kann. Allerdings sorgte die enge Konzentration bei „Six Days in Fallujah“ auf die US-amerikanischen Leiden von Veteranen zurecht für heftigen Gegenwind. Publisher Konami entzog den Entwicklern den Auftrag und Atomic Games ging insolvent.

Schon damals machte mich das Projekt für mein Blog Keimling hellhörig (Kommentar: Last Day of „Fallujah“, 29. Mai 2009). Nun wurde das Projekt im Februar 2021 wiederbelebt. Als ich darauf via Twitter hinwies und die neuen Bemühungen kritisch beurteilte, wurde Journalist Dominik Schott darauf aufmerksam. Wir führten für einen Report auf Gamestar-Plus ein längeres Gespräch. Unter dem Titel „Six Days in Fallujah: Das macht den Irak-Shooter so heikel“ erschien er am 4. März 2021 (Paywall).

In meinem Blog Keimling verfolge ich historische Inszenierungen in digitalen Spielen und die Geschichte ihrer Innovationen nun schon sehr lange. 2009 schrieb ich zu den Zusammenhängen beim Spiel „Six Days in Fallujah“ (Abb. eigener Screenshot, Nolden)

Dass das Projekt ein Jahrzehnt später wiederbelebt wurde, liegt wohl auch daran, dass Entwickler:innen die grundsätzliche Kritik an der Einseitigkeit nicht verstanden. Angesichts der Kritik zogen sie den Schluss, damals sei wohl noch nicht genügend Zeit verstrichen, um über die amerikanischen Schicksale zu sprechen. Nun gehe es ihnen darum, den Spielenden die Komplexität des Häuserkampfes nahezubringen. Wie ich im Interview erläutere, führt diese Perspektive immer weiter in eine falsche Richtung. Auch wenn natürlich ein digitales Spiel nicht eine Vorlesung in Internationaler Politik ersetzen kann, führen die Wahl des Blickwinkels und inbesondere dessen Einseitigkeit zu einer nachträglichen Romantisierung des soldatischen Einsatzes und einer Verklärung des Kriegseinsatzes insgesamt. Um dem Konflikt und gerade diesem erinnerungskulturellen Symbolort gerecht zu werden, müsste sich die Perspektive erheblich weiten und vielfältiger angelegt werden.

Auch für Spieler:innen, die häufig danach verlangen, Spiele frei von Politik zu halten, fand ich klare Worte: Bereits der Schwerpunkt auf die US-Perspektive sei ein politischer Kommentar, ob man nun wolle oder nicht. „Man darf den Leuten nicht so eine Weltdeutung vor die Füße kippen und dann sagen, das ist unpolitisch.“ In dem Zusammenhang betonte ich auch, wie wichtig es wäre, Zeitzeugen stärker zu hinterfragen. Sehr emotional wird mit bewegenden Erfahrungen der US-Soldaten gearbeitet, die an der Schlacht beteiligt waren: „Dabei ist dieser Glaube, man muss nur dagewesen sein und hat deswegen eine Übersicht über die Lage und Deutungsautorität, einfach idiotisch.“ Auch hier fehlt die Rahmung durch textliche Quellen, Aussagen übergeordneter Stellen oder Zeug:innen der iraktischen Bevölkerung. Schott nahm daher auch Kontakt zu Irakern auf, die sich nachweislich zur Zeit der Schlacht in Falljah befanden und ihre Haltung zum Spiel thematisierten. Auf ihrer Webseite kündigen Highwire Games mittlerweile an, die Erfahrungen dutzender Iraker für das Spiel zu berücksichtigen. Allerdings gibt es mehr als dieses Statement dazu noch nicht.

Auch weil ich digitale Spiele als Medium über alle Maßen schätze, war mir am Ende noch eine grundsätzliche Botschaft wichtig, die ich sowohl an die Communities als auch Entwickler:innen adressierte. Man könne Spiele nicht „wertfrei“ konsumieren. Zeitgeist und kulturelle Prägung von Entwickler:innen schwingen eben immer mit. Und das müssen Spieler wie Journalisten sehen: „Wenn man ein Kulturmedium sein will, müssen wir es auch als ein solches behandeln. Dann müssen wir auch Diskussionen führen, die sich mal um moralische, mal um politische Argumente drehen. Es gehört dazu, sich auch mit sowas auseinanderzusetzen – sonst sind wir wieder beim Kinderspielzeug.“

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