Podiumsdiskussion "Zugang schaffen - Inklusion und Barrierefreiheit" zum Kickoff der Förderlinie jugend erinnert
Termin,  Vortrag

„Jugend erinnert“ inklusiv – Podium, Bundesstiftung Aufarbeitung

Die Bundestiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur geht in eine zweite Förderrunde ihres Programms „jugend erinnert“. Für das Kickoff-Event war ich als Vertreter für Public History und Mitglied der Jury eingeladen. Nachmittags teilte ich diese Perspektive auf einem Podiumsgespräch zum Thema „Zugang schaffen – Barrierefreiheit und Inklusion in der historischen Bildungsarbeit mit Jugendlichen zum SED-Unrecht“. Den Livestream der gesamten Veranstaltung gibt es hier anzusehen, unsere Podiumsdiskussion darin ab 2:15:08.

Die zweite Förderrunde von „jugend erinnert“ verzögerte sich erhebliche durch die fehlenden Bundeshaushalte nach dem unsanften Ende der Ampelkoalition. Erst spät konnten deshalb die beantragten Projekte ihre Förderzusage erhalten, auch wenn wir uns als Jury längst auf eine Auswahl geeinigt hatten. Mich berief noch die damalige Kulturstaatsministerin Claudia Roth in diese Aufgabe. Dadurch bekam ich die spannende Gelegenheit, ein hochinteressantes Spektrum von Akteuren und Projektideen quer durch Republik kennen zu lernen. Gut 80 Einreichungen begutachteten wir. Meine Gratulation an die 32 Projekte, die mittlerweile ihre Bewilligung erhielten.

In dieser Förderlinie leistet die Stiftung Aufarbeitung einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur rund um die DDR-Geschichte, indem sie innovative Projektarbeit an Gedenkstätten, bei Vereinen und Kirchen speziell aus jugendlichen Perspektiven unterstützt. Insbesondere fällt am breiten Förderspektrum, wie zugewandt und offen für Neues auf der einen Seite das Projektbüro ist – und wie einfallsreich die Antragstellenden innovative Perspektiven auf die DDR-Geschichte und die Wendezeit entwickeln.

Vollständiger Livestream der Kickoff-Veranstaltung am 1.12. in Marthas Gästehäusern (Podiumsdiskussion ab Timestamp 2:15:08)

Miriam Menzel („Die Gesellschaft für eine gute Zukunft„) moderierte gewohnt eloquent das Podiumsgespräch und brachte Struktur in die dicht gepackte Themenvielfalt. Zum Leitthema „Inklusion und Barrierefreiheit“ trugen wir auf dem Podium unterschiedliche Blickwinkel bei: Mia Caspary vertrat die jugendliche Perspektive als Studentin der Public History und etwas offizieller im Team der Stiftung Aufarbeitung für interkulturelle und inklusive Bildung. Aline Gros vertrat als Zeitzeugin die Wendegeneration und engagiert sich als Mitarbeiterin für die Erinnerungskultur am Gedenkort Point Alpha. Eine Kollegin steuerte Erfahrungen und Begriffe aus der praktischen Arbeit des queeren Jugendnetzwerk Lambda e.V. bei. (Ihr Name wurde nicht vollständig genannt, um sie vor den leider zunehmenden persönlichen Übergriffen zu schützen.) Daneben steuerte ich die Perspektive der Juryarbeit, mit interaktiven digitalen Medien und aus Forschung und Lehre in der Public History bei.

Es erweist sich keineswegs einfach, Inklusion exakt zu definieren. Wir versuchten uns im ersten Teil daran, wenigstens das Ideal näher zu umreißen. Was bedeutet eigentlich Inklusion und welche Barrieren sollen für wen eingerissen werden? Die Teilnehmenden auf dem Podium schilderten Erfahrungen und Arbeitsweisen aus ihren jeweiligen Umfelden. Mir war vor allem wichtig, darauf hinzuweisen, dass es um Zugänge geht – einerseits für Menschen, denen sie aus welchen Gründen auch immer erschwert sind. Das können beispielsweise migrantische Biografien sein, queere Erfahrungswelten, wirtschaftlich benachteiligte Personen oder Menschen mit körperlichen oder kognitiven Einschränkungen. Andererseits geht es um breitere Zugänge auf historische Perspektiven, die auf diese Gruppen und ihre Erfahrungen in der Geschichte sichtbar gemacht werden.

Zum Podium trug ich die konkreten Erfahrungen aus der Juryarbeit mit den eingereichten Projekten bei sowie aus meiner Arbeit mit digitalen Medienkompetenzen in Public History und der Kinder- und Jugendarbeit (Abb. Screenshot aus Livestream)

Dabei sind es digitale Medien, die zum einen als Werkzeuge viele interaktive Lösungen anbieten, um eingeschränkte Menschen teilhaben zu lassen. Sie eröffnen aber zum anderen eben Instrumente, um diese Blickwinkel nachvollziehen zu lassen. Einige Beispiele für einfallsreiche Ansätze aus den beantragten Projekten brachte ich in die Podiumsdiskussion ein: migrantische Erfahrungshorizonte im postsowjetischen Europa, Escape Rooms zu queeren Erfahrungen, ein digitales Spiel gezielt für sehbehinderte Menschen zur Wendezeit oder ein Influencer-Wohnprojekt.

Wichtig war mir aber auch aus meiner Jury-Tätigkeit zu bekräftigen, dass es in Anträgen nicht genügt, bloß grundsätzlich eine Offenheit für ausgeschlossene Gruppen zu signalisieren. In meine Bewertung für die Jury floss deutlich ein, ob sich die Antragstellenden darüber hinaus Gedanken zur methodischen Umsetzung machen. Meine Arbeit mit dem Fortbildungsprogramm für die Kinder- und Jugendarbeit in den letzten Jahren zeigte deutlich, dass eingeschränkte Menschen sich oft nicht gesehen und angesprochen fühlen, egal wie sehr Anbieter eine inklusive Haltung beteuern. Um benachteiligte Menschen für Projekte zu gewinnen, müssen Strategien und Partner für Ansprache und Motivation gefunden werden.

Solche Rückmeldungen nehmen das Projektbüro, die Bundesstiftung und die Vertreter des Bundeskulturstaatsministeriums nicht nur auf dieser Veranstaltung aufmerksam auf. Ich finde im Vergleich zu anderen Födermittelgebern bemerkenswert, wie sehr sich alle Beteiligten substantiell um eine adäquate Fortentwicklung der Richtlinien bemühen. Für eine möglicherweise zukünftige dritte Förderlinie sind das schon einmal hervorragende Voraussetzungen.

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